Nach mehreren Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts verstoßen rückwirkende steuerliche Regelungen insoweit in unzulässiger Weise gegen das Grundgesetz, als sie den Vertrauensschutz der Steuerzahler unterlaufen (Az. 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05 und 2 BvR 1738/05). Das betrifft in den entschiedenen Fällen Sachverhalte, die bereits vor der Verkündung der Gesetzesänderungen am 31. März 1999 entstanden waren und durch die Neuregelungen ungünstiger besteuert wurden, nämlich die gesunkene Schwelle für die Steuerpflicht beim Verkauf von GmbH-Anteilen außerhalb der Spekulationsfrist. Gesellschafter profitieren von diesen Entscheidungen, wenn ihre Steuerbescheide zu den strittigen Sachverhalten noch nicht bestandskräftig sind. Da viele GmbH-Gesellschafter den Fall über einen ruhenden Einspruch ohnehin schon seit Jahren offen gehalten hatten, kommt es jetzt oftmals zu einer Steuerrückzahlung.
Das Bundesfinanzministerium hat nun dazu Stellung bezogen, wie die Finanzbeamten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in allen offenen Fällen umzusetzen haben (Az. IV C 6 – S 2178/11/10001). Dabei geht es um den Verkauf von privat gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften wie AG und GmbH. Die Veräußerung war bis 2000 nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist nur dann steuerpflichtig, wenn der Aktionär oder GmbH-Gesellschafter ab 10 Prozent aufwärts am Unternehmen beteiligt waren. Diese Schwelle wurde 1999 auf ein Prozent gesenkt und galt auch für den Altbestand. Dies ist verfassungswidrig, soweit es bis zum 31. März 1999 aufgelaufene Wertzuwächse betrifft.
Wer also zwischen 10 und 1 Prozent an der Gesellschaft beteiligt war und seine Anteile ab 1999 verkauft hatte, profitiert nun. Der realisierte Gewinn bleibt insoweit steuerfrei, als er auf Wertzuwächse seit der ehemaligen Anschaffung bis zum 31.3.1999 entfällt. Nachfolgende Preissteigerungen sind hingegen steuerpflichtig.
Beim Verkauf ab April 1999 muss nun eine zeitliche Zuordnung in steuerfreie Wertzuwächse bis Ende März 1999 und nachfolgend steuerpflichtige Gewinne erfolgen. Um das zu ermitteln, muss der Verkehrswert oder Börsenkurs der Anteile zum 31. März 1999 ermittelt werden. Hatte ein Gesellschafter seine Anteile beispielsweise 1990 zu 100.000 Euro gekauft und sie am 2. August 2010 für eine Million Euro wieder verkauft, kommt es auf den Wert der Beteiligung belief am 31. März 1999 an. Lag der bei 500.000 Euro, werden nur 500.000 Euro des Gesamtgewinns von 900.000 Euro besteuert werden. Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn im Jahr 2010 beträgt dann 300.000 Euro, weil nach dem Teileinkünfteverfahren nur 60 Prozent des Gewinns zählen.
Den Preis aus 1999 müssen GmbH-Gesellschafter nicht zwingend durch einen Wertgutachter ermitteln, denn der Fiskus erlaubt hier eine Vereinfachungsregelung. Der insgesamt entstandene Wertzuwachs kann entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit linear monatsweise ermittelt werden, aufgerundet zugunsten des GmbH-Gesellschafters auf volle Monate.
Wurden die GmbH-Anteile beispielsweise am 15. Januar 1997 für 100.000 Euro gekauft und am 3. August 2009 für 500.000 Euro verkauft, beträgt die Haltedauer aufgerundet 151 Monate. Auf den Zeitraum 31. März 1999 bis 3. August 2009 entfallen abgerundet 124 Monate. Der Wertzuwachs von 400.000 Euro ist zu einem Anteil von 124/151 und damit zu 328.476 Euro zu erfassen. Unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens beträgt der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn im Jahr 2009 (328.476 x 60 Prozent) 197.085 Euro.